

Rollei 35 – klein, schön, aber heute noch gut?
Die Rollei 35 ist eine Legende. Als kleinste Kleinbildkamera der Welt war sie bei ihrem Erscheinen 1966 eine echte Sensation. Sie setzte neue Maßstäbe im Verhältnis von Abbildungsleistung zu Kameragröße und läutete damit den Wettstreit um die beste und kleinste Kleinbildkamera ein.
Die Rollei 35 hat also ihren festen Platz als Meilenstein in der Geschichte des Kamerabaus. Aber taugt sie auch heute noch? Lohnt sich der Kauf einer Rollei 35? Das beleuchte ich in diesem Review.
Okay, ich bin ehrlich, meine Erfahrungen mit der Rollei 35 sind gemischt. Ich habe mich mit ihr in der Praxis eher schwergetan und lieber zu ihrer jüngeren Konkurrentin, der Minox 35 gegriffen. Mein Weg zur Rollei 35 war ein steiniger. Noch steiniger war er allerdings für ihren Erfinder Heinz Waaske.
Fotos von Rollei 35 Kameras
Der Traum von einer guten Kamera für die Hosentasche
Heinz Waaske, der viele Jahre Konstrukteur bei Wirgin in Wiesbaden war, entwickelte den Prototypen einer kleinen Taschenkamera in seiner Freizeit und ließ die Teile dazu im Wirgin-Musterbau fertigen. Als sein Chef Heinrich Wirgin davon Wind bekam, so besagt es die Legende, soll er nicht erfreut gewesen sein, dass Waaske Wirgin für sein Privatprojekt nutzte. Er war auch nicht interessiert daran Waaskes Entwurf weiter zu verfolgen.
Auch Kodak und Ludwig Leitz, denen Waaske seinen Prototypen präsentierte, sahen das Potenzial dieser kleinen Kamera nicht. Erst der Rollei-Chef Dr. Heinrich Peesel war so begeistert von Waaskes Entwurf, dass er ihn von allen anderen Aufgaben (Waaske arbeitete seit Januar 1965 bei Rollei) abzog und ihm alle nötigen Ressourcen zur Verfügung stellte, um die Kamera schnell zur Serienreife zu bringen.
Plötzlich waren alle Steine weggeräumt und dem Welterfolg der Rollei 35 stand nichts mehr im Weg.
Versionen – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die Ur-Rollei 35 mit einer Breite von 97, einer Höhe von 60 und einer Tiefe von 32 mm wurde 1966 auf der photokina vorgestellt. Und auch wenn sie ihrer Größe wegen eher wie eine Spielzeugkamera daher kam, war sie ausgestattet mit Bauteilen der Crème de la Crème des damaligen deutschen Kamerabaus: So lieferte Carl Zeiss das versenkbare 40mm Tessar-Objektiv, sowie den Compur-Zentralverschluss und Gossen den Belichtungsmesser.
Von der Rollei 35 wurden in all ihren Varianten gut 2 Millionen Stück über 30 Jahre lang gebaut.
Drei wesentliche Merkmale haben alle Varianten gemein:
- Alle haben ein versenkbares 40mm Objektiv.
- Alle sind manuell zu bedienen, haben also keinerlei Automatik.
- Alle sind rein mechanisch. Das bedeutet, sie brauchen die Batterie nur für den etwaigen Belichtungsmesser und man kann auch ohne Batterie mit ihnen fotografieren.
Ansonsten unterscheiden sich die Rollei 35 vor allem durch ihre unterschiedlichen Objektiv-Typen.
An ihren Objektiven kannst du sie erkennen
Es gibt 4 Kategorien von Rollei 35 Kameras:
1. Der Standard, das sind die 35 / 35 T und die 35 TE. Diese haben ein Einschicht vergütetes 40mm Tessar mit einer Offenblende von 3,5. Für kurze Zeit wurde auch ein Schneider-Kreuznach S-Xenar verbaut. Da diese Kameras seltener sind, sind sie auf dem Gebrauchtmarkt meistens auch teurer. Genauso wie die in Deutschland hergestellten Exemplare, die gegenüber ihren in Singapur gebauten Schwestern immer etwas höherpreisig sind.
2. Die Einsteiger-Varianten, dazu gehören die B, mit einem ungekoppelten Seleen-Belichtungsmesser, die C ohne Beli und die LED, in der wesentlich mehr Kunststoff verbaut wurde, die aber über einen gekoppelten Belichtungsmesser mit einer LED Anzeige im Sucher verfügt. Diese drei Einsteiger-Rolleis sind mit einem einfacheren Carl Zeiss Triotar Objektiv ausgestattet, das ebenfalls über eine Lichtstärke von 3,5 verfügt.
3. Die Luxus-Varianten in Form der S und SE. Bei ihnen ist ein Mehrschicht vergütetes Carl Zeiss Sonar mit einer Lichtstärke von 2,8 verbaut.
4. Die Sondermodelle, die in kleineren Stückzahlen zu Jubiläen und für Sammler extra teuer angeboten wurden und werden und die ich hier mal außen vor lasse, weil es mir ums Fotografieren und nicht ums Sammeln geht.
Design, Ausstattung und Funktionen – alles ein wenig anders
Nimmt man eine Rollei 35 das erste Mal in die Hand, ist man überrascht, wie schwer das kleine Teil ist. So eine Rollei bringt, bedingt durch ihre solide Metallbauweise, ohne Film und Batterie zwischen 300 (SE) und 350 g (S) auf die Waage. Nur die LED wiegt wegen des Mehreinsatzes von Kunststoff bloß 233 g.
Die zweite Auffälligkeit ist ihre aufgeräumte Oberseite, auf der der Schnellspannhebel links und nicht wie sonst üblich rechts untergebracht ist. Auch der große Bewegungsradius des Schnellspannhebels ist außergewöhnlich – er endet erst auf 11 Uhr.
Auf der Oberseite der 35/T/S befindet außer dem Schnellspannhebel die Anzeige für den Belichtungsmesser, der Knopf für die Objektiventriegelung und der Auslöser.

Auf der Oberseite der TE/SE fehlen die Beli-Anzeige (ist als LED im Sucher) und die Objektiventriegelung (ist an der Frontseite), dafür findet sich hier das Batteriefach.

Auf der Oberseite der B/LED befindet sich das ISO-Wahlrad als Ring um das Batteriefach, das Bildzählwerk und die LED hat um den Auslöser ein Rädchen um den Auslöser zu blockieren.

Im Gegensatz zur ruhigen Oberseite ist auf der Unterseite echt einiges los. Hier befinden sich der Blitzschuh, der Hebel um die Rückwand zu öffnen, das Bildzählwerk (Standard- und Luxusvarianten), ein Stativgewinde und die Rückspulkurbel.

Bei den Standard- und Luxus-Varianten befinden sich die Räder zum Einstellen der ISO, Belichtungszeit und Blende an der Frontseite der Kamera, was ihr einen hübsch technischen Look verleiht. Bei den Einsteigervarianten stellt man Blende und Belichtungszeit am Objektiv ein.
Einer der Vorteile aller Rollei 35 Kameras ist ihre mechanische Funktionsweise. Da die Kameras ohne Elektronik funktionieren, sind sie meiner Meinung nach besonders haltbar, denn wenn Schäden bei alten Kameras auftauchen, betreffen diese meistens die Elektronik.
Das teilweise Batterieproblem mit der PX625 und der PX27
Will man den eingebauten Belichtungsmesser der Rolleis nutzen, braucht man natürlich, außer bei der B, eine Batterie. Und ja, da ist es wieder, das Quecksilber-Problem. Denn die 35/T/S benötigen eine PX625 Batterie -> heute also einen Ersatz (WEIN CELL, Hörgeräte-Batterie mit Gummiring oder einen Kanto MR-9 Adapter).
An dieser Stelle können sich die Besitzer*innen einer LED/TE/SE ins Fäustchen lachen. Denn bei deren Kameras ist eine Schutzdiode verbaut und sie können ohne Probleme eine aktuelle PX27G verwenden – Glückwunsch 🥳.
Spieglein, Spieglein an der Wand…
Eine weitere optische Auffälligkeit der Rollei 35 ist ihr verspiegelter Sucher. Theoretisch erleichtert dieser das Schießen von Selfies. Da die Rolleis aber keinen Selbstauslöser haben und ihre Naheinstellgrenze 90 cm ist, braucht man entweder einen langen und ruhigen Arm, einen Aufsteck-Selbstauslöser oder einen Drahtauslöser.
Die Handhabung oder in der Ruhe liegt die Kraft
Die Rollei 35 ist eine eher langsame Kamera. Folgende Schritte sind von der Entdeckung eines Motivs bis zur Betätigung des Auslösers zu bewältigen:
- Das Objektiv rausholen und arretieren
- Das Motiv anvisieren
- Den Abstand zum Motiv schätzen und auf den Fokusring des Objektivs übertragen
- Die Blende bzw. Verschlusszeit wählen
- Die Zeit bzw. Blende anhand des Belichtungsmessers justieren
- Motiv wieder anvisieren und auslösen
Bei der TE, SE und LED braucht es einen Schritt weniger, da man die Kamera durch die LEDs im Sucher beim Nachjustieren der Blende bzw. der Zeit am Auge behalten kann.
Um den Prozess zu beschleunigen, kann man natürlich auch, wenn es die Lichtverhältnisse erlauben, die Blende auf 8, 11 oder 16 drehen und so durch die größere Schärfentiefe das Fokussieren umgehen. Bei der Rollei 35 S sind die 2 und 6 Meter als „Schnappschuss-Entfernungen“ rot eingefärbt. Bei Blende 11 wird bei 2 m alles im Bereich von 1,5 bis 3 m und bei 6 m alles zwischen 3 m bis unendlich scharf abgebildet. Das aber natürlich nur, wenn die Belichtungszeit kurz genug ist und es keine Verwackelungsunschärfe durch Zeiten von 1/15 oder länger gibt.
Ein echtes Highlight der Rollei ist ihr großer und heller Sucher. Auch ich als Brillenträgerin kann den Leuchtrahmen mit seinen Parallaxenmarken (für Motive, die 1,5 m oder näher sind) gut erkennen. Und das ist bei Sucherkameras keine Selbstverständlichkeit 🤓.
Sucher einer Rollei 35 S – sehr übersichtlich und hell.
Beim Sucher der LED sieht man aufgrund seiner anderen Position einen Teil des Objektivs. Und natürlich am oberen Rand die LED des Belichtungsmessers.
Auch das Filmeinlegen ist ein echtes Kinderspiel bei der Rollei 35. Bei den Metall-Rolleis lässt sich die Rückwand einfach abziehen und wieder aufschieben. Nur beim Kunststoff-Gehäuse der LED ist das etwas frickeliger.
⚠️ Achtung! Das Objektiv kann nur entriegelt und reingeschoben werden, wenn der Verschluss gespannt ist. Und der Riegel, um den Film zurückspulen zu können, befindet sich bei den Standard- und Luxus-Varianten rechts neben dem Sucher-Einblick.
Problemzonen oder was ich nicht so mag
Am Anfang habe ich mich echt schwergetan mit der Rollei 35. Ich habe mir einfach nicht genug Zeit für sie genommen und häufig den Fokus verfehlt.
Die Position des Batteriefachs bei der 35/T/S im Filmfach ist natürlich nicht praktisch, denn so kann die Batterie nur gewechselt werden, wenn kein Film in der Kamera ist.
Die Filmrückspulkurbel an der LED ist etwas hakelig und muss weit runtergeklappt werden, weil man sonst zwar das Gefühl hat, den Film zurückzukurbeln, ihn in Wahrheit aber nicht richtig erwischt und im Zweifel die Rückwand zu früh öffnet und so einen Teil des Films verliert.
Fazit
Wie eingangs erwähnt, ist die Rollei 35 ein Meilenstein. Ich mag ihr Design und ihre unglaublich wertige (das betrifft nicht LED) und präzise Bauweise, ihre puristische Ausstattung und natürlich ihre Abbildungsleistung.
Sie ist etwas für Puristen und Designfans. Man sollte auch schon etwas analoge Fotografieerfahrung haben, sie ist keine Anfängerkamera. Und man muss gewillt sein, sich auf die Kamera einzulassen, sich die Zeit nehmen, die sie braucht.
Wenn du dir nicht sicher bist, ob die Rollei 35 etwas für dich ist und du es testen möchtest, rate ich dir zum Kauf einer LED. Die kostet nur ein Drittel von den anderen, ihre Abbildungsleistung ist voll okay und mit ihr kannst du testen, ob dir die Kamera grundsätzlich liegt.