

Die Rollei 35 AF – nach 7 Monaten im Einsatz
Die Rollei 35 AF ist nach der Pentax 17 die zweite neue Analogkamera, die 2024 das Licht der Welt erblickte. Und auch wenn die 35 AF keine echte Rollei ist, die Firma Rollei ging 1981 pleite, wusste ich: Die will ich haben!
Denn die original Rollei 35 hat für mich zwei große Schwachstellen: den Zonenfokus, bei dem man die Entfernung zum Motiv schätzen muss, und die etwas umständliche Bedienung (siehe mein Review zum Original). Die neue Rollei 35 AF versprach genau diese Probleme zu lösen. In diesem Review berichte ich, ob die Kamera dieses Versprechen einlöst, wie sie sich im praktischen Einsatz bewährt und ob der Kaufpreis gerechtfertigt ist.
Die Rollei 35 AF ist nicht wirklich eine Fortführung der ursprünglichen Rollei-35-Familie, sie ist eine komplett neu entwickelte Kamera im Gewand des Klassikers aus Braunschweig. Entwickelt und produziert wird sie von der Firma Mint Camera aus Hongkong. Mint hat seit über 10 Jahren Erfahrung im Bau von Retro-Kameras und kooperierte für dieses Projekt mit der RCP Handels GmbH & Co. KG., welche die Namensrechte von „Rollei“ hält und unter dem altehrwürdigen Namen diverses Foto- und Videoequipment vertreibt.
Und genau auf deren Webseite bestellte ich dann auch am 11. September 2024 meine Rollei 35 AF in klassischem Silber. Gut sieben Wochen später war es dann so weit, das Paket mit der Rollei wurde geliefert und ich war echt aufgeregt. Denn es ist Jahrzehnte her, dass ich eine nigelnagelneue Analogkamera in Betrieb nehmen durfte 🤩.

Ein erster Blick auf meine neue Rollei 35 AF.
Design, Ausstattung und Funktionen –
same, same but different
Beim Öffnen der gediegenen silbernen Kameraschachtel erlebte ich die erste Überraschung: Die 35 AF ist doch deutlich größer als das Original; die zweite Überraschung folgte bei ihrer Entnahme aus der Schachtel: Die AF ist spürbar leichter als meine Rollei 35 S. Ansonsten ist sie, was das Design und die Anordnung der Bedienelemente angeht, eine fast exakte Kopie der klassischen Rollei 35.
Abgesehen von den hinzugekommenen Funktionen gibt es eine wesentliche Änderung gegenüber des Vorbildes: Aus dem 40mm ist bei der AF ein 35mm Objektiv geworden. Es besteht aus 5 Glaselementen und bildet ordentlich scharf und auch mit angenehmen Kontrasten ab. Angeblich waren ehemalige Pentax-Mitarbeiter an seiner Entwicklung beteiligt.
Fotos von Rollei 35 Kameras AF
Design und Aufbau im Detail
Die Rollei 35 AF ist zwar größer als das Original, ihr Design ist aber sehr ähnlich.
Wie beim Original befinden sich die Räder zum Einstellen der Blende und der Belichtungszeit an der Frontseite der Kamera und auch die Filmmerkscheiben im Inneren des Zeitwahlrades wurde beibehalten. Anstelle der ISO-Einstellung im Inneren des Blendenwahlrads gibt es bei der AF eine Merkscheibe für die Länge des eingelegten Films.
Als neue Elemente sind auf der Frontseite der AF ein Knopf für den Selbstauslöser, das Fenster für den Autofokus und ein eingebauter Blitz hinzugekommen. Ich finde die Funktionserweiterung durch diese Elemente sehr gut und auch ihre Gestaltung und Anordnung sehr gelungen.
Die sehr aufgeräumte Oberseite der Rollei 35 AF im Vergleich zur Rollei 35 S
War die Oberseite der Original-Rolleis schon sehr aufgeräumt, wird das bei der AF sogar noch übertroffen. Da ihr Objektiv nicht versenkbar ist, konnte der Knopf zum Lösen des Objektivs wegfallen. Anstelle des rechteckigen Fensters für den Belichtungsmesser besitzt die AF ein kleines rundes OLED-Display, das über die wichtigsten Einstellungsparameter informiert.
Um den Auslöser ist ein Ringschalter verbaut, mit dem man die Kamera ein- und ausschaltet, den Blitz aktiviert und den ISO-Wert kontrollieren bzw. überschreiben kann. Denn die Rollei 35 AF verfügt über eine DX-Code-Erkennung, stellt den richtigen ISO-Wert also automatisch ein. Hat man einen Film ohne DX-Code oder will man den Film pushen bzw. pullen, kann man den gewünschten ISO-Wert manuell einstellen, indem man zuerst den Schalter auf ISO dreht und dann so oft auf den Selbstauslöserknopf drückt, bis der angezeigte ISO-Wert im Display dem Wunschwert entspricht. Der ISO-Bereich geht in den üblichen Schritten von 25 bis 3200.
Und ja, auch was den Filmtransporthebel betrifft, ist die neue Rollei ihrem Vorbild treu geblieben: Er ist gefühlt auf der falschen, linken Seite und muss auch in einem großen Bogen bis 11 Uhr gespannt werden. Sonst wird der Film nicht richtig transportiert und die Kamera löst nicht aus 😳.
Auf der Rückseite befinden sich neben dem Einblick in den Sucher eine orange und eine grüne LED. Leuchtet das Grüne, hat die Kamera fokussiert, leuchtet das Orangene, ist der Blitz bereit. Beide Lichter nimmt man auch gut wahr, wenn man durch den Sucher blickt.
Außerdem auf der Rückseite der Hebel zum Lösen der Wickelspule (um den Film zurückspulen zu können) und das Batteriefach, welches mit einer CR2 Lithium-Batterie gefüttert werden will.
Auf der Unterseite befindet sich dann noch die Filmrückspulkurbel und der Hebel zum Sichern/Entsichern der Rückwand, die als Ganzes abgezogen wird, um den Film einlegen zu können.
Die abgezognen Rückwand gibt das Filmfach frei.
Die Handhabung – die Macht des Laserfokus ist mit ihr
Um es gleich vorwegzunehmen, meine Hoffnung, mit der Rollei 35 AF geschmeidiger und schneller arbeiten zu können als mit dem Original, hat sich bewahrheitet.
Das liegt natürlich an ihrem Autofokus, der präzise und ausreichend zügig arbeitet. Aber auch an ihrer Halbautomatik (Zeitautomatik), die man aktiviert, indem man das Zeitwahlrad auf A dreht. Da die Kamera zusätzlich noch eine Belichtungskorrektur (-2 -1 +1 +2) besitzt, sah ich mich nie genötigt, in ihren voll manuellen Modus zu wechseln. Und das hat sich leider in schlechten Lichtsituationen als Fehler herausgestellt. Denn da die Kamera nicht angibt, mit welcher Zeit sie in der Halbautomatik den Verschluss öffnet, besteht bei weniger Licht immer eine latente Verwackelungsgefahr.
Hier hat die Kamera den Verschluss wohl länger als 1/30 geöffnet – das aus der Hand aufgenommene Foto ist verwackelt. Hätte ich im manuellen Modus fotografiert, hätte ich gesehen, dass ich die Kamera irgendwie fixieren muss…
Im manuellen Modus kannst du Zeiten zwischen 1 Sekunde und 1/500 wählen. Außerdem verfügt die Kamera über eine Einstellung für Langzeitbelichtungen. Dafür drehst du das Zeitwahlrad auf LT und drückst den Auslöser halb runter, um dich durch die möglichen Zeiten im Display zu blättern. Hast du die Zeit deiner Wahl gefunden, lässt du den Auslöser los. Beim nächsten Auslösen bleibt der Verschluss dann in deiner Wunschzeit geöffnet. Möglich sind folgende Zeiten: 2, 4, 6, 8, 10, 15, 30 oder 60 Sekunden.
Auch die Tatsache, dass sie größer als das Original ist, empfand ich eher als Vorteil, weil sie dadurch besser in der Hand liegt. Die AF ist bei weitem nicht so solide gebaut wie der Klassiker (abgesehen von der LED), fühlt sich aber trotzdem nicht wie eine billige Plastikknipse an.
Das Display zeigt eine Unterbelichtung von drei Belichtungsstufen an.
Ein Detail, in das ich mich nahezu schockverliebte, ist das kleine OLED-Display. Es zeigt alle wichtigen Parameter an: ISO-Wert, Bildzahl, Kameramode, Über- bzw. Unterbelichtungsgefahr und die gewählte Belichtungskorrektur. Schaltet man die Kamera ein, zeigt das Display als Erstes den eingestellten ISO-Wert und wechselt dann zur Modusanzeige → „Auto“ für den halbautomatischen Modus, “OK” wenn man im manuellen Modus ist und die Belichtungsparameter in Ordnung sind. Droht eine Unterbelichtung oder Überbelichtung bekommt man ein – oder + zu sehen. Die Stärke der Fehlbelichtungen wird zusätzlich durch 8 Kreissegmente rund um das – bzw. + angezeigt – eine simple und sehr elegante Lösung, wie ich finde.
Den Autofokus aktiviert man, wie üblich, durch den halb durchgedrückten Auslöser. Das Fokusfeld ist in der Mitte des Suchers markiert. Lässt man den Auslöser nach dem Fokussieren nicht los, bleibt der Fokus gespeichert und man kann den Bildausschnitt nach Belieben verändern. Die Lasertechnik des Lidar-Autofokus arbeitet zuverlässig auch bei wenig Licht. Aber es gab zwei Situationen, in denen der Autofokus Probleme hatte. Einmal versuchte ich durch eine leicht dreckige Scheibe zu fotografieren und es gelang mir nicht, den Fokus auf die Objekte hinter der Scheibe zu legen. Die Kamera versuchte die ganze Zeit auf die Dreckpartikel der Scheibe scharfzustellen, was ihr nicht gelang, da sie zu nah waren. Ein anderes Mal fotografierte ich Straßenlichter nachts bei Nebel und auch mit dieser Situation wurde der Autofokus nicht fertig – kein einziges meiner Fotos war richtig fokussiert.
Der halb durchgedrückte Auslöser aktiviert übrigens nicht nur den Autofokus, sondern auch den Bildzähler im Display.
Problemzonen oder was ich nicht so mag
Okay, die Rollei 35 AF ist eine junge Kamera und deshalb hat sie natürlich auch noch ein paar Kinderkrankheiten. Zum Teil sind die Komponenten etwas hakelig – das Öffnen und Schließen der Rückwand benötigt Geschick und Geduld, der Objektivdeckel fällt viel zu leicht ab, das Zurückspulen des Films braucht sehr viel Kraft und das Weitertransportieren des Films erzeugt im Inneren der Kamera ein Geräusch, das so klingt, als würde gleich alles kaputtgehen. Das sind alles Dinge, über die ich gut hinwegsehen konnte.

Der Sucher der Rollei 35 AF

Der Sucher der Original Rollei 35
Aber dann gibt es noch drei Details, die mich doch massiv gestört haben. Erstens der echt schlechte Sucher, der klein, dunkel und tonnenförmig verzeichnet ist. Zweitens der Auslöser bei dem man das Gefühl hat, man drückt ins Nichts und der einen sehr tiefen Druckpunkt hat, was die Gefahr für Verwackelungen erhöht. Drittens, dass nur das OLED-Display über Fehlbelichtungen informiert und ich in dem Moment, wo ich die Kamera am Auge habe, nicht weiß, ob eine Unter- oder Überbelichtung droht. Das ist ein Manko, dass Rollei schon ab 1978 mit der LED, TE und SE ausbügelte. Schade das Mint es wieder einbaute.
Fazit – werde ich sie behalten?
€ 885,- bzw. € 914,- für die schwarze Variante sind ein stolzer Preis für eine Kamera. Ist der Preis gerechtfertigt? Vermutlich ja – schließlich fließt ein Teil in die Entwicklungskosten, und die Kameras werden mit viel Handarbeit gefertigt.
Die Rollei 35 AF hat in meinen Augen zwei große Vorteile:
- Ihre ordentliche Abbildungsleistung
- Sie kommt mit Herstellergarantie und das macht sie nahezu einzigartig.
Denn natürlich kannst du dir eine ähnlich teure Nikon 35 Ti oder eine Contax T2 zulegen, beide Kameras sind um einiges ausgereifter und auch besser als die neue Rollei, aber wenn sie kaputtgehen, gibt es im Zweifel niemand mehr, der sie dir repariert. Die Original Rollei ist in meinen Augen aufgrund der Specs der Neuen keine wirkliche Alternative.
Ich bin irgendwie zwiegespalten, was die Rollei 35 AF betrifft. Das Fotografieren mit ihr hat mir, bedingt durch den schlechten Sucher und den uninspirierenden Auslöser, nicht wirklich viel Spaß gemacht. Aber andererseits war ich mit den Ergebnissen immer sehr zufrieden.
Werde ich sie behalten? Nein, ich gehe einfach weiter pfleglich mit meiner Nikon 35 Ti um und hoffe, dass sie mir noch lange erhalten bleibt. Würde ich sie behalten, wenn ich keine Nikon 35 Ti hätte? Vermutlich ja!