Foto der Contax RTS von vorne
Kamera von vorne

Praktica B 200 electronic – im Osten viel Neues!

In Westdeutschland hatte man ab den 1960er Jahren extreme Probleme sich gegen die japanischen Kamerahersteller zu behaupten. Im wirtschaftlich geschützteren Ostteil der Republik hingegen, entwickelte und baute man munter weiter Kameras. So steht der Name Praktica für eine umfangreiche Baureihe von einäugigen Spiegelreflexkameras aus Dresden von denen zwischen 1949 und 2001 über 9 Millionen Stück produziert wurden.

Eine davon ist die Praktica B 200. Sie kam 1979 auf den Markt und wurde bis 1984 produziert. Sie war und ist eine grundsolide gut ausgestattete Kamera, die den Vergleich mit der japanischen Konkurrenz nicht scheuen muss. Und dabei aktuell (Ende 2021) auf dem Gebrauchtmarkt noch günstiger zu haben ist, als vergleichbare Kameras aus dem fernen Osten.

Fotos der Praktica B 200

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Steckbrief

Bauart:
Spiegelreflex Kamera für 35 mm Filme
Baujahr: 
1979 – 1984
Objektiv:
Praktica-B-Bajonett
ASA/ISO:
12 – 3200
Verschluss:
Metall-Lamellen, 1 – 1/1000 Sek., 40 – 1/1000 Sek. im A-Modus, Bulb
Belichtungsmesser:
Mittenbetonte TTL Messung, Belichtungskorrektur +2 / -2
Fokussierung:
Manuel, Mikroprismenring mit Schnittbildindikator
Sucher:
Bildfeld 95%, Zeitskala mit Leuchtiode, die Blende wird immer eingespiegelt, gewählte Zeit im manuellen Modus ebenfalls
Modi:
Manuel und Zeitautomatik
Maße Gehäuse:
142 x 89 x 53 mm, 530 g (Gehäuse)
Batterie:
6V – PX28, Varta V28PXL
Extras:
Abblendtaste, Selbstauslöser, Messwertspeicher

Design, Ausstattung und Funktionen – es wurde an nichts gespart!

Durch ihre fancy Waffelbelederung unterscheidet sich die Praktica B 200 auf den ersten Blick von der Konkurrenz. Diese Belederung sieht, wie ich finde, aber nicht nur cool aus, sondern gibt dem Body der B 200 zusätzlich einen guten Grip. Von den 180.000 Praktica B 200 wurde der größte Teil in schwarz produziert. Lediglich für den Export gab es sie auch mit verchromte Kappen.

Ja, ich stehe auf die Waffelbelederung!

Die Bedienelemte der B 200 sind klassisch angeordnet und gut zugänglich. Auf der linken Seite des Bodys befindet sich unter dem Rückspulknopf das Rad mit dem die ASA/ISO-Einstellung und die Belichtungskorrektur vorgenommen wird. Um den ISO-Wert zu verstellen zieht man den gut griffigen Ring nach oben und dreht ihn dann auf den benötigten ASA-Wert. Um die Belichtungskorrektur einzustellen, entriegelt man das Rad mit dem kleinen silbernen Knopf und hat dann die Möglichkeit die Belichtungszeit zu verdoppeln (+1), zu vervierfachen (+2) oder zu halbieren (-1) bzw. zu vierteln (-2). Der größere schwarze Knopf ist der Messwertspeicher. Mit ihm kannst du im Automatik-Modus die Belichtungszeit »einfrieren«, so das sie sich auch nicht verändert, wenn du den Bildausschnitt nochmal änderst.

Die Bedienelemente sind griffig und gut zu handhaben.

Auf der rechten Seite des Bodys befindet sich das Zeitwahlrad, mit dem du auch in den Automatik-Modus (Zeitautomatik) wechseln kannst. Neben dem Zeitwahlrad liegt der Auslöser, der Filmtransporthebel und das Bildzählwerk.

Canon A-1 von oben

An der Frontseite ist der Selbstauslöser, die Abblendtaste, der Knopf zur Entriegelung des Objektivs und eine Blitzbuxe untergebracht.

Der Verschluss der Praktica B 200 electronic wird, wie ihr Name schon vermuten lässt, elektronisch gesteuert. Das heißt, für den Normalbetrieb braucht sie eine Batterie. Aber sie verfügt auch über einen »Notbetrieb«. Stellst du das Zeitwahlrad auf den Blitz (⚡️) machst du die Kamera nicht nur bereit für das Fotografieren mit einem Blitzgerät, sondern sie öffnet in dieser Stellung den Verschluss mechanisch mit einer Zeit von 1/90.

Übrigens, lass dich nicht täuschen – du kannst die Kamera auch ohne Batterie spannen und auslösen. Beim Auslösen klappt sogar der Spiegel hoch und wieder runter und man hat dadurch das Gefühl, dass die Kamera richtig arbeitet – allerdings öffnet sich der Verschluss hierbei nicht. Lediglich in der ⚡️-Stellung öffnet sich der Verschluss und Licht fällt auf den Film.

Du kannst die B 200 in zwei Modi bedienen – manuell, wo du die Blende und die Zeit selber einstellst und halbautomatisch (automatic), in den du die Blende einstellst und die Kamera die dazu und zur Lichtsituation passende Belichtungszeit. Und selbst in diesem Automatik-Modus hast du durch die Möglichkeit zur Belichtungskorrektur und den Messwertspeicher noch ordentlich Eingriffsmöglichkeiten.

Fokussiert wird die Praktica B 200 manuell. Unterstützt wirst du beim Fokussieren durch einen Mikroprismenring mit Schnittbildindikator im Sucher.

Die Handhabung oder besser als meine Contax S2!

Apropos Sucher, ich liebe diesen Sucher. Er ist angenehm groß und hell und ich stehe auf die Schrift der Belichtungszeit-Skala. Auch die LED-Anzeige, die Auskunft über die Belichtungszeit gibt ist simpel-genial. Im manuellen Modus signalisiert ein roter Lichtpunkt an der Belichtungszeit-Skala welche Zeit einzustellen ist, während gleichzeitig ein blinkender Lichtpunkt anzeigt, welche Zeit aktuell vorgewählt ist. Das bedeutet, du musst die Kamera nicht vom Auge nehmen, um die Belichtungsparameter zu verändern. Du drehst einfach solange am Zeitwahlrad bzw. am Blendenring bis das blinkende Licht verschwunden ist. Und genau an dieser Stelle, ist die B 200 durchdachter als eine meiner Lieblingskameras, die Contax S2. Denn diese funktioniert im Grunde genau nach dem gleichen Prinzip, nur dass anstelle des stehenden Punktes der blinkende übrig bleibt und das ist SUPER nervig.

Blick durch den Sucher der Canon A-1

Alles im Blick: links die Belichtungszeitskala mit LED, unten der Blendenwert

🙋 Für weitere Infos zu Blende und Zeit lies bitte auch den Beitrag Bildbelichtung im Griff. Oder schau dir einfach meine Video-Serie »Analoge Bildbelichtung« hier auf YouTube an.

Die Praktica B 200 ist sehr schnell einsatzbereit. Du schaltest sie ein, indem du den Ring um den Auslöser von 1 Uhr nach 11 Uhr schiebst. Jetzt kann der Auslöser gedrückt werden und der Belichtungsmesser reagiert – wie bei vielen Kameras dieser Art – indem du den Auslöser halb runter drückst.

Übrigens solltest du nicht vergessen, den Ring zurück auf 1 Uhr zu drehen, wenn du die Kamera nicht in Gebrauch hast. Denn sonst leert sich die Batterie.

Blick durch den Sucher der Canon A-1

Der Schnittbildindikator ist gewöhnungsbedürtig

Ungewöhnlich ist der dreigeteilte Schnittbildindikator, bei dem man den Versprung aus den diagonalen Balken in der Mitte glatt fokussieren muss. Das kann in diffusen Lichtsituationen etwas Übung benötigen, aber ich habe mich schnell daran gewöhnt.

Video zur Praktica B 200

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Problemzonen oder Dinge, die ich nicht so mag

Der Batteriefachdeckel ist ein wenig nervig.

Es gibt 2 Dinge, mit denen ich bei der B 200 »kämpfe«:

  1. Der Batteriefachdeckel ist schwer zu öffnen, denn der Schraubenschlitz ist so schmal, dass keine aktuelle Münze passt. Du brauchst also immer ein extra »Werkzeug«. Er besitzt auch keine Markierung, die zeigt wann er offen oder geschlossen ist. Und da die Schraube zum Schließen gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden muss und nicht, wie üblich mit ihm, drehe ich immer erst mal in die falsche Richtung 🙃 .
  2. Die Ösen für den Kameragurt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie sind sie mir beim Fotografieren im Weg.

Außerdem wieß mich Lukas via YouTube noch darauf hin, dass er schon mehere Prakticas der B-Reihe in der Hand hatte bei denen die Spannhebel-Achse gebrochen war. Also solltest du beim Kauf einer Praktica auch immer darauf achten, dass sich beim Spannen die Wickelspule ordentlich dreht.

Fazit – eine preisgekrönte Alternative

Wie eingangs erwähnt, ist die Praktica B 200 eine durchdachte und sehr gut ausgestattete SLR. Sie muss den Vergleich beispielsweise mit einer Olympus OM-2 oder einer Nikon FE, absolut nicht scheuen. Auch die Objektive aus dem Hause Carl Zeiss Jena können sich mehr als sehen lassen.

Bei einem Merkmal schlägt die B 200 übrigens alle japanischen Kameras aus derselben Zeitdekade, und zwar bei den Lichtdichtungen und beim Spiegeldämpfer. Denn diese sind aus haltbarem Material und zerbröseln nicht, wie bei den Japanern. Deshalb musst du sie auch nicht ersetzten 😎.

Wenn du also Interesse an einer in Deutschland entwickelten und gefertigten SLR hast, die cool aussieht und 1979 vom Amt für industrielle Formgestaltung den Designpreis »Gutes Design DDR« bekam, dann lege ich dir die B 200 ans Herz.